Kurze Geschichte der Streuobstwiesen

Was unsere Vorfahren über Jahrhunderte seit dem Mittelalter zur über lebenswichtigen Selbstversorgung gepflanzt und erhalten hatten, wurde durch eine neue Landwirtschaftspolitik nach 1945 nahezu ausgerottet. Von staatlicher Seite wurden zum Beispiel Rodungsprämien für das Vernichten der alten Obstbaumkulturen gezahlt. Die Flächen wurden im Wirtschaftswunderland Deutschland zur Erfüllung anderer Bedürfnisse benötigt. Das ehemals mühsam vom Baum geerntete oder vom Boden aufgesammelte Obst konnte mühelos und preiswert in den Supermärkten gekauft werden.
Verloren gegangen ist einer der bedeutsamsten Lebensräume in Mitteleuropa: die Streuobstwiese mit einem unglaublich großen Netz von Verbindungen von Tieren und Pflanzen. Im Einzelfall kann das Netz auf einer Fläche mit Baumgruppen Abertausende von Lebewesen umfassen, die alle miteinander in Beziehung stehen. Ökologie in seiner besten Form!
Die Streuobstwiese verdankt ihren Namen, so ist meistens zu lesen, der verstreuten Anordnung hochstämmiger Obstbäume, teils in Wiesen oder sogar Äckern. Sie stellt damit eine traditionelle, arbeitsintensive Anbauform von Obst dar. Diese Art der Wirtschaftsweise lohnt heute aus wirtschaftlichen Aspekten in einer weitgehend industrialisierten Landwirtschaft nicht mehr. Die immer stärkere Intensivierung in der europäischen Landwirtschaft hat zu einem monokulturellen Obstanbau in Plantagen geführt, in der auf einem Hektar (10.000 Quadratmeter) bis zu 3000 (!) Bäume im erntefreundlichen Kleinformat stehen. Der klassische Obst-Hochbaum mit wenigen Bäumen auf einem Hektar ist dem Plantagenbaum gewichen, bei dem das Pflücken weitgehend automatisiert ist. Aber auch so genannte „Tafelobstplantagen“ brauchen oft die Streuobstwiesen als Reservoir von alten Sorten von Obst. Die Vielfalt ist hier noch existent.
Unser weit verbreitetes, heutiges Konsumverhalten erwartet optisch makelloses „Obst im Sechserpack“ aus dem Supermarkt. Das ungleich gewachsene Obst der Streuobstwiesen hat dagegen kaum eine Chance. Daher ist der Bestand an Streuobstwiesen in Deutschland seit 1951 um etwa 75% zurückgegangen. Streuostwiesen stehen heute auf der Roten Liste der am stärksten gefährdeten Biotop-Typen in Europa. Neben der oft landschaftsprägenden Bedeutung bieten sie einen sog. „Trittstein“ für zahlreiche gefährdete Tierarten, sind also ökologisch besonders wertvoll. Zudem sind die alten Obstsorten ein wichtiges Kulturerbe, das es mühselig zu erhalten gilt. In Deutschland werden schätzungsweise noch rund 300.000 Hektar Streuobstwiesen bewirtschaftet.