Die Ahr und das Hochwasser am 14./15. Juli 2021
Geologische und geomorphologische Hintergrundinformationen für die Ahr – Aufzeichnung Winfried Sander 20.07.2021
Die Ahr entspringt in Blankenheim (NRW). Sie erstreckt sich etwa 90 Kilometer von Blankenheim bis nach Sinzig-Kripp, wo sie in den Rhein mündet. Etwa 70 Km davon fließen durch Rheinland-Pfalz. Die Ahr hat „normalerweise“ eine Schüttung von etwa 12 Liter pro Sekunde im Durchschnitt. Gewöhnlich braucht ein Tropfen Wasser von der Quelle bis zur Mündung etwa 24 h. Die Geschwindigkeit bei der jetzigen Flut war weit höher und bei dieser Katastrophe sind es gewiss nur ganz wenige Stunden gewesen.
Die Quelle in Blankenheim ist in einem Haus unterhalb einer Anhöhe als Brunnen gefasst. Aber der wahre Ursprung der Ahr ist nicht unten im Haus, sondern auf der Höhe oberhalb der Stadt. In diesem Gebiet haben wir eine devonische Kalkmulde – eine Gesteinsformation mit einem Alter von etwa 400 Millionen Jahren. Dies ist in der Eifel selten, aber gerade in diesem Gebiet um Blankenheim (der Name „Blankenheim“ lässt sich herleiten von „blank“ im Sinne von weiß, nämlich der hellen Farbe des Kalkes im Vergleich zur Umgebung mit dunklem Schiefer) lieben diese Kalkschichten.
In diesem Kalkgestein versichert das Wasser der Ahr, höhlt in dem porösen Gestein Kavernen (Höhlen) aus und das Wasser kommt dann langsam unten rausgetröpfelt in der oben genannten kleinen Menge. Normalerweise laufen diese Kavernen allmählich leer. Wenn viel Niederschlag kommt, füllen sich die Kavernen und laufen irgendwann über und das Wasser kommt beschleunigt und in großer Menge an der unten liegenden Quelle an. Die Ahr hat eine so genannte „Karstquelle“, ähnlich der der Donau!
Unweit unterhalb von Blankenheim gibt es noch weitere Kalkschichten und dort versickert ein Teil des Ahrwassers … ähnlich, wie die Donau! Auch hier gibt es im Untergrund Kavernen, in denen sich das Wasser sammelt. Diese laufen bei starkem Regen schnell voll und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo nichts mehr zu füllen ist und dann läuft das gesamte Ahrwasser an der Oberfläche ab. Und das ist auch der Grund für die Schnelligkeit, mit der das Wasser dann kommt, in einem Kippmoment. Und das ist genau der Grund, warum es auch zwei Flutwellen geben kann, von denen Menschen auch berichten. Die zweite Welle kommt, wenn dann auch die unteren Kavernen vollgelaufen sind.
Im Umfeld der Ahr gibt es natürlich Wälder und Wiesen die das Wasser speichern können. Normalerweise bleibt ein hoher Prozentsatz des Regens dort gespeichert, wird dann auch von Pflanzen aufgenommen oder verdunstet … der „Rest“ fließ ab in die Einzugsgewässer. Aber im Fall mit hohem Starkregen können die Böden das nicht mehr aufnehmen und das Wasser fließt fast vollständig in die Ahr ab.
Die Ahr hat insgesamt gut 70 erfasste Zuflüsse von kleinen Bächen in ihrem Einzugsgebiet, hinzu kommen ungezählte und namenlose Gräben. Bekannte Bäche sind der Trierbach und der Adenauer Bach!
Die Niederschläge werden gemessen in Millimeter = Liter/je Quadratmeter. Wir hatten am 14./15. Juli (gemessen von 06.00 Uhr bis 06.00 Uhr) folgende Situation: Starkregen von etwa 140 Litern Wasser pro Quadratmeter, das sind 14 cm in der Höhe, mehr nicht! Aber: Wir haben ein Einzugsgebiet an der Ahr von etwa 900 Quadratkilometern. 1 Quadratkilometer sind 1 Million Quadratmeter. Also kamen 14 cm Wasser auf 900 Millionen m2. Wenn das der Taschenrechner noch schafft, dann sind das über 1 Milliarde Liter Wasser – eine unvorstellbare Menge Wasser, die innerhalb von 24 Stunden zusammengekommen sind und schnell abgeflossen sind. Der mit am nächsten gelegene Pegel in Lissendorf hat für den o.a. Zeitraum gemessen: Am Dienstag/Mittwoch wenige Liter auf den Quadratmeter, 140 Liter von Mittwoch/Donnerstag und wiederum wenige Liter von Donnerstag/Freitag!
Eigentlich ist der Begriff Starkniederschläge für diese Situation falsch, weil er per Definition nur auf einen Zeitraum von 6 Stunden begrenzt ist. Dauert es länger, wie jetzt bei uns, wo es tagelang so heftig regnete, ist der Begriff Unwetter bzw. Katastrophensituation umgangssprachlich angebracht!
Ab wann haben die Behörden gewusst, dass es eine Katastrophe wird?
Schon drei Tage zuvor und es wurde auch halbherzig gewarnt und veröffentlicht: 120-150 Liter/m2. Der Jahresdurchschnittsniederschlag in unserem Raum liegt normalerweise bei 700 – 800 Liter/m2. Also war an dem Tag fast 25% des gewöhnlichen Jahresniederschlags zu erwarten! Vorher nichts bis wenig – nachher nichts – und dazwischen an einem Tag – am Mittwoch/Donnerstag, den 14./15. Juli 2021.
Die Ahr in Schuld verläuft hier in einer engen Schleife, das Tal geht steil nach oben und das Wasser kann sich nicht ausbreiten und verlaufen. Wo soll das Wasser hin? Es bleibt nur in die Höhe und durch die Enge hat es sich beschleunigt: der Düseneffekt! Deshalb ist der Pegel dort auch so (schnell) hoch gegangen und hat die enormen Schäden angerichtet!
In anderen Abschnitten des Ahrtales sieht die Talstruktur anders aus, aber dort liegen viele besiedelte Bereiche noch dichter am Fluss! Die Mittelgebirgsstruktur um das Tal der Ahr hat eine Höhe von ca. 500 Metern, mal mehr mal weniger. Wenn in einem solchen Tal ein Tiefdruckgebiet mit großen Wolkenmassen sich nur mit langsamer Geschwindigkeit (etwa 10-15 Stundenkilometer) fortbewegt, dann ergießen sich hier auch mehr Wassermengen auf relativ engem Raum. Es gab an dem Tag nur ganz wenig Wind. Wir kennen Starkregen eigentlich nur im Zusammenhang mit Gewittern, die schnell ziehen mit bis zu 60 Stundenkilometern. Die Winde haben hier völlig gefehlt. Die Wolken wurden nicht bewegt und das Tief hing über diesem Gebiet fest auf 900 Quadratkilometern an der Ahr und auch großflächig in anderen Regionen: von der Wallonie in Belgien über Luxemburg im Westen, bis Gmünd und Erft im Norden und bis runter zur Mosel. Also bildet eigentlich nicht allein die Menge des Wassers pro/m2 die Erklärung der Katastrophe, sondern die fehlende Geschwindigkeit der Wolkenmassen auf einem großen Gebiet!
Allerdings muss jede Region im Detail betrachtet werden, um endgültige Ursachen für die Schäden und den vielfachen Verlust von Menschen festzulegen. Menschengemacht ist sicher die unzureichend deutliche Warnung an die Menschen im Ahrtal, was ein solcher Niederschlag innerhalb von 24 Stunden bedeuten kann! Ein dramatischer Fehler, der sich so nicht wiederholen darf und sich auch hoffentlich nicht mehr wiederholen wird! Mit der rechtzeitigen und nachdrücklichen Warnung ist das Problem allerdings (noch) nicht gelöst!
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